September 2020, Titelgeschichte Schweizer Tafel
Das Jahresmagazin der Schweizer Tafel widmet sich in der Ausgabe 12.2020 ganz dem Thema Jonglieren. Neben dem posieren für das Titelbild durfte ich einen Einblick in meine Faszination für das Jonglieren geben.
Text: Angela Pertinez
Bilder: Starjongleur Kaspar Tribelhorn
Herausgeber: Stiftung Schweizer Tafel
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«Jonglieren macht glücklich» Ein Porträt des Starjongleurs Kaspar Tribelhorn. Was ihn antreibt und was für ihn die Faszination am Jonglieren ist.
«Die Verbindung zum Publikum ist mir wichtig. Es ist doch langweilig, den Leuten bloss zu zeigen, dass ich mit Bällen etwas kann, das sie nicht können. Ich will vielmehr die imaginäre Wand zwischen Bühne und Publikum durchbrechen.»
Der Starjongleur
Wenn plötzlich eine Keule von der Bühne in die hinterste Publikumsreihe fliegt, dann ist der Starjongleur am Werk. Der 36-jährige Kaspar Tribelhorn ist bekannt dafür, dass er sein Publikum miteinbezieht. «Die Verbindung zum Publikum ist mir wichtig. Es ist doch langweilig, den Leuten bloss zu zeigen, dass ich mit Bällen etwas kann, das sie nicht können. Ich will vielmehr die imaginäre Wand zwischen Bühne und Publikum durchbrechen.» Genau deshalb sind seine Auftritte Shows, die ein Erlebnis versprechen. Er tritt damit weniger in die Stapfen der klassischen Zirkusjongleure als vielmehr in diejenigen von Bühnenkünstlern wie Comedians.
Eine Show für alle
Seit neun Jahren ist der studierte Elektroingenieur beruflich als Jongleur unterwegs. Er war bei Aeschbacher und Glanz&Gloria zu sehen und spielte den Jongleur im Schweizer Papa-Moll-Film von 2017. Er hat schon 200 Auftritte in einem Jahr gespielt und noch heute sind es rund 100. Mittlerweile kann er seine Show in allerlei Variationen aufführen. Er spielt für das Fünfsterne-Publikum, den KMU-Jubiläumsanlass oder das private Hochzeitsfest. Er spielt an Strassenfestivals oder auf kleinen und grossen Bühnen.
Jonglieren macht glücklich
Nach wie vor jongliert Tribelhorn mit Herzblut. «Jonglieren ist gesund und macht glücklich», sagt er und die Hirnforschung gibt ihm recht. Vernarrt in sein Handwerk, reisst er immer wieder neue Projekte rund ums Jonglieren an. «Allesamt Herzensprojekte» strahlt er. Er unterhält einen Shop für Jonglierbälle, hat eine Showgruppe gegründet und schreibt seit Jahren Jonglier-Anleitungen.
Einer aus der Szene
Anders als andere Berufsjongleure ist der Starjongleur nicht im Zirkus bekannt geworden. «Er ist einer aus der Szene», wie es in Jonglierkreisen heisst. Die Schweizer Jonglierszene ist klein und unorganisiert. Man trifft sich unkompliziert zum wöchentlichen Jongliertreffen, das es in allen grösseren Städten gibt. Einmal im Jahr findet die Schweizer Jonglier- Convention statt. Die Szene ist unkommerziell und offen für alle. Wer mitjongliert, egal auf welchem Niveau, gehört dazu. Dies gilt nicht nur für die hiesige Szene, sondern für die Jonglierszene weltweit. In diese Szene taucht Kaspar Tribelhorn ein, als er mit 16 Jahren zu jonglieren beginnt. Zehn Jahre lang verbringt er seine Wochenenden und Ferien dort, wo Jonglier-Conventions stattfinden: Freiburg, Berlin, Seattle, Toronto, Griechenland. Zehn Jahre lang jongliert er aus purer Freude. Erst dann denkt er an eine eigene Show.
Einfach machen
«Kann man vom Jonglieren leben?» Das ist die häufigste Frage, welche die Leute dem Starjongleur stellen. Er hat keine richtig gute Antwort darauf. Was er weiss, ist, dass es nicht reicht, hervorragend jonglieren zu können. Es braucht mehr, um als selbständiger Jongleur durchzukommen. Oder wie er es selbst mit schweizerischer Bescheidenheit ausdrückt: «Es kommt mir sicher entgegen, dass ich ganz viele Dinge ganz ok. gut kann.» Das heisst, dass er nicht nur mit Bällen, Kegeln und Motorsägen spielen kann, sondern auch mit vielen anderen Aufgaben zu jonglieren weiss. Was er sich selbst gut genug beibringen kann, macht er selbst. Genauer: Er exploriert. Bevor er seine eigene Webseite konzipiert, schaut er sich unzählige Webseiten an, um herauszufinden, welche Seite warum überzeugt. Für sein Promovideo hat er ebenfalls exploriert und es schliesslich über Wochen hinweg selbst geschnitten. Auch der Buchhaltung kann er die interessanten Seiten abringen. So hält seine Neugier seine Kosten als selbstständiger Künstler tief. Das Multitalent weiss aber auch, was es nicht kann: «Grafisch bin ich unbegabt. Nie würde ich ein Logo für mich selbst machen.» Die Freude am Explorieren scheint ihm in die Wiege gelegt. Er macht einfach, probiert vieles aus. «Ich habe auch total erfolglose Projekte gestartet. Die kennt natürlich niemand, weil sie ja erfolglos gewesen sind.»
Das Jonglierbuch
Durchaus erfolgsversprechend ist sein aktuellstes Projekt. Seine bereits veröffentlichten Anleitungen und neue Anleitungen zum Jonglieren lernen sind seit April 2020 in Buchform zu finden. Das Buch «Jonglieren – so einfach wie noch nie!» soll seine eigene Begeisterung fürs Jonglieren weitergeben. Alle, die es in die Hand nehmen, sollen Feuer fangen. Seine ersten Jonglieranleitungen schrieb der Starjongleur bereits vor Jahren, weil es einfach nichts gab, das er in seinen Workshops mit gutem Gewissen empfehlen konnte. «Entweder die Anleitungen sind unvollständig, fachlich nicht korrekt oder so öde und kompliziert geschrieben, dass es wirklich keinen Spass macht», erklärt er. Die bisherigen Anleitungen des Starjongleurs sind geschätzt. Und mit der Crowdfunding-Kampagne fürs Buch ist das benötigte Geld in kurzer Zeit zusammengekommen. Alles spricht dafür, dass das Buch ein Erfolg wird. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, um Bilanz zu ziehen, wird der Starjongleur aber bestimmt schon in einem neuen Jonglier-Projekt stecken.
tafelpost | 12 | 2020